Wirtschaftswachstum in China

                          Infrastruktur - China 

1. Grundlagen

1.1. Wirtschaftswachstum in China in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

1.1.1. Von der Gründung der VR China bis heute

Als die Volksrepublik China 1949 gegründet wurde, lag die Wirtschaft am Boden. Nach dem für China sehr harten Zweiten Weltkrieg und dem blutigen Machtkampf zwischen den Kommunisten unter Mao Zedong und den Nationalisten waren große Teile der Industrie und der Landwirtschaft zerstört. China war eine rückständige Agrargesellschaft, fast 90% der ca. 540 Millionen Menschen lebten auf dem Land (Vgl. State Statistical Bureau People`s Republic of China 1986, S.71). „Modern industry was no more than a few recognisable islands in a vast ocean of agriculture and small businesses“ (Minami 1994, S.5).

Nachdem die Kommunisten im Bürgerkrieg siegreich waren, wurde die chinesische Wirtschaft schnell verstaatlicht. Kommunistische Planwirtschaft wurde eingeführt. Selbst die privaten Bauern und die kleinen Handwerksbetriebe wurden zunächst enteignet. Wie in der folgenden Graphik zu sehen ist, waren die Wachstumsraten des Volkseinkommens am Anfang prozentual sehr hoch. Allerdings ist zu bedenken, daß die Ausgangsbasis sehr niedrig war.

 

Abb. 1. : Wachstum der Wirtschaft 1951-1985

Quelle: State Statistical Bureau People`s Republic of China 1986, S.40

Das wirtschaftliche Wachstum war, wie aus der Graphik zu entnehmen ist, bis zu Beginn der 60er Jahre auf hohem Niveau. Die Wirtschaft war jedoch immer noch sehr von der Landwirtschaft geprägt. Wegen der Missernte 1960 und aufgrund des politischen Bruchs mit dem damaligen Partner Sowjetunion, kam es Anfang der 60er Jahre zu einer der größten Hungerkatastrophen in der Geschichte Chinas.

1961 bis 1976 war der erste „move to the right“ (Minami 1994, S.7). Die streng marxistischen Regeln wurden erstmals gelockert. Der staatliche Einfluss in der Wirtschaft wurde zurückgefahren. Zum Teil wurde das Management in der Industrie unabhängiger und die Bauern durften nach Feierabend eigene Felder bestellen. 1966 kam es aufgrund der Kulturrevolution zu schweren innenpolitischen Unruhen, die sich auch auf die wirtschaftliche Entwicklung auswirkten.

Die Reformen begannen 1976 mit dem Tode Maos. Danach wurde die Politik eher nach ökonomischen Bedürfnissen als nach ideologischen Zielvorstellungen ausgerichtet (Vgl. Romich 1991, S.7). Das neue Ziel war bis zum Jahre 2000 zu den größten Wirtschaftsmächten der Welt zu gehören. Dazu wurden auch große Infrastrukturprojekte in Angriff genommen. Der Bau neuer Verkehrswege und der Aufbau von Infrastruktureinrichtungen zur Energieversorgung bekamen höchste Priorität. Da ausländisches Kapital u.a. auch für die Infrastruktur benötigt wurde, wurden Gesetze geändert und 1979 erstmals Sonderwirtschaftszonen eingerichtet. Schnell begann die Wirtschaft stark zu wachsen. „Overall the first decade of China`s economic reforms since Mao`s death was outstandingly successful“ (Nolan 1990, S.21).

Von 1952 bis 1985 wuchs die Wirtschaft Chinas um 720%. Während die Landwirtschaft nur um etwa 200% wuchs, erweiterte sich die Industrie um 2900%. (Zahlen aus: State Statistical Bureau People`s Republic of China 1986, S.41) 1952 war der primäre Sektor noch der bei weitem größte Sektor mit 57,7% Anteil am Volkseinkommen. Der sekundäre Sektor mit 23,1% und der tertiäre Sektor mit 19,2% waren vergleichsweise klein. 1985 dominierte bereits der sekundäre Sektor mit 52,8% deutlich vor dem primären mit 32,4% und dem tertiären mit 14,8%. (Vgl. Minami 1994, S.11) China wurde immer mehr von einem Agrarland zu einem Industrieland.

Seit Mitte der 80er Jahre wurden nach und nach große Wirtschaftsreformen eingeleitet. Privatwirtschaft wurde in viel größerem Umfang als bisher erlaubt. Marktwirtschaft wurde mehr und mehr eingeführt. Preismechanismen regelten bald Angebot und Nachfrage in immer mehr Bereichen der Wirtschaft. In fast allen Teilen der Wirtschaft wurden Auslandsinvestitionen und ausländische Beteiligungen erlaubt und durchgeführt. Die Niederschlagung der Demokratiebewegung 1989 unterbrach die wirtschaftlichen Reformen nur kurz. Auch die ausländischen Investitionen flossen bald wieder. Die großen Infrastrukturbereiche wie Energieversorgung, Verkehrswege und Bildungseinrichtungen blieben jedoch eher in staatlicher Hand.

Abb. 2 : Wachstum der Wirtschaft 1985-1996

Bemerkung: Eigene Berechnung

Quellen: bis 1991: Statistisches Bundesamt 1995b, S.128

ab 1991: Schüller 1997b, S.339

Seit Beginn der 90er Jahre erregt der Wirtschaftsboom in China weltweites Aufsehen. Das Wachstum der Wirtschaft in China erreichte in den letzten 10 Jahren jährlich meist zweistellige Wachstumsraten. Senghals hat errechnet, daß bereits zwischen 1980 und 1993 die Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts in China weltweit nur noch von Korea und Taiwan erreicht worden ist (Vgl. Senghals 1996, S.2).

1.1.2. Die momentane Größe und die Wachstumsaussichten der chinesischen Wirtschaft

Insgesamt ist die Wachstumsrate in den letzten Jahren leicht zurückgegangen. Dennoch ist die Wachstumsrate im internationalen Vergleich immer noch sehr hoch. Die jährliche Wachstumsrate betrug 1995 10,5% und 1996 9,7%. Im ersten Quartal 1997 wuchs das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum gleichen Quartal des Vorjahres immerhin noch um 9,4 %. Die leichte Abbremsung der Wachstumsrate war durchaus gewollt, da eine Überhitzung der Konjunktur drohte und die Inflation bekämpft werden sollte. (Zahlen aus: Schüller 1997b, S.339 -340)

Das gesamte Bruttoinlandsprodukt betrug 1994 rund 522 Mrd. US$. Damit wurde China nur von den G-7 Staaten übertroffen. Die VR China war 1994 hinter den USA (ca. 6648 Mrd. US$, größte Volkswirtschaft der Welt), Japan (ca. 4591 Mrd. US$), Deutschland (ca. 2046 Mrd. US$), Frankreich (ca. 1330 Mrd. US$), Italien (ca. 1025 Mrd. US$), Großbritannien (ca. 1017 Mrd. US$) und Kanada (ca. 543 Mrd. US$) die acht größte Volkswirtschaft der Erde. (Zahlen aus: Der Fischer Weltalmanach 1997, S.21-898). Dies ist ein großer Sprung seit Anfang der 80er Jahre. 1981 lag China zum Beispiel noch hinter Mexico oder Brasilien (Vgl. United Nations 1992, S.225-232).

Mit einem BSP pro Kopf von nur 530$ 1994 (Vgl. Der Fischer Weltalmanach 1997, S.112) ist die VR China jedoch eindeutig als Entwicklungsland einzustufen. Dieser Wert ist für Entwicklungsländer in etwa durchschnittlich. Die VR China liegt mit diesem Wert bei den größeren, schnellwachsenden Entwicklungsländern Ostasiens im Hinterfeld. So hatte 1994 z.B. Malaysia bereits ein BSP von 3520$, Thailand 2500$, Indonesien 880$ und den Philippinen von 960$. (Zahlen aus: Der Fischer Weltalmanach 1997, S.699-716)

Diese Länder hatten jedoch zu Beginn ihres Wirtschaftsbooms auch keine höhere Wirtschaftsleistung pro Kopf als die VR China heute. Ein weiteres langanhaltendes Wachstum mit durchschnittlichen Wachstumsraten von 8%, 10% oder gar 12% pro Jahr scheint daher nicht unmöglich.

Die drei Tigerstaaten Südkorea, Taiwan und Singapur, bei denen der Wirtschaftsaufschwung bereits in den 70er Jahren begann, haben heute ein BSP pro Kopf von über 10000 US$ im Jahr erreicht. Falls das chinesische BSP pro Kopf einmal ähnlich hoch sein wird, wäre China wirtschaftlich stärker als es die USA und die EU heute zusammen sind.

Ein Versuch die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung Chinas vorherzusagen stammt von Weggel. In seinem Versuch einer virtuellen Umrißbestimmung über die weitere wirtschaftliche Entwicklung Asiens kommt er zum Ergebnis, daß China die USA bereits im Jahre 2015 als die führende Wirtschaftsmacht der Welt ablösen könnte. Im Jahre 2020 könnte die Wirtschaftskraft Chinas bereits 40% größer sein als die der USA. Er gibt jedoch zu bedenken, daß auch bei weiterer schneller wirtschaftlicher Entwicklung das Pro-Kopf-Einkommen in China noch Mitte des nächsten Jahrhunderts deutlich geringer als in den Industrieländern sein wird. (Vgl. Weggel 1997, S.232)

Für ein weiteres langanhaltendes Wachstum müssen jedoch die Voraussetzungen stimmen. Welche Voraussetzungen dafür nötig sind kann bei dem derzeitigen Stand der Wachstumstheorie nicht abschließend beurteilt werden. Jedoch möchte ich hier einige Aspekte aufführen:

Politische Voraussetzungen sind schwierig zu definieren. Ein wirtschaftlicher Erfolg setzt nicht unbedingt Demokratie voraus, wie man an einigen Beispielen in Asien aufzeigen kann. In Südkorea oder auf Taiwan herrschten lange Zeit keine demokratischen Verhältnisse nach westlichen Vorstellungen. Dennoch ist die Wirtschaft in diesen Ländern über Jahre schnell gewachsen. Wichtiger für die Wirtschaft ist wohl, daß die Politik gute Rahmenbedingungen für das Wirtschaften vorgibt. Die Erfahrung hat gezeigt, daß vor allem ein stabiles marktwirtschaftlich orientiertes System nötig ist. Radikale Systemwechsel können die Wirtschaft langfristig stören, wie in dem Niedergang der osteuropäischen Volkswirtschaften nach der Wende zu sehen war. Die langsame kontrollierte Hinwendung zur Marktwirtschaft in China hat sich als der wirtschaftspolitisch sinnvollere Weg erwiesen. An dem politischen System dürfte also meines Erachtens die weitere wirtschaftliche Entwicklung Chinas somit nicht scheitern.

Auch muss die Kultur eines Landes schnelle Veränderungen zulassen, damit langanhaltendes Wachstum möglich wird. Die Menschen müssen sich in einer wachsenden und sich somit veränderten Wirtschaft schnell an neue Gegebenheiten anpassen können. Dies dürfte bei den Chinesen der Fall sein. Überall wo man Chinesen frei wirtschaften ließ, entstand schnell Wohlstand. Aus der vor 40 Jahren unbedeutenden Insel Taiwan machten Chinesen ein blühendes Industrieland. Hongkong wandelte sich in 100 Jahren vom Fischerdorf zur Weltmetropole. In anderen asiatischen Ländern, wie Thailand oder Malaysia, ist die chinesische Minderheit der wohlhabendere Teil der Bevölkerung. Auch in Übersee, wie in Nordamerika, entwickelten Auslandschinesen eine hohe wirtschaftliche Dynamik. Nur das große Mutterland China ist noch zurückgeblieben, weil der Kommunismus die Fähigkeiten der Menschen bisher unterdrückte.

Nach den gängigen ökonomischen Theorien ist für Wachstum entscheidend, daß die Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital in ausreichender Menge vorhanden sind. Genügend Arbeitskräfte sind ohne Zweifel vorhanden. Insbesondere die zunehmende Maschinisierung in der Landwirtschaft wird noch viele Jahre viele Arbeitskräfte freisetzen, die in die neuen Industriezentren auf Arbeitssuche gehen werden. Die Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten sind in China in den letzten Jahren deutlich verbessert worden. Durch die Einrichtung von erfolgreichen Wertpapierbörsen, vor allem in Shanghai und Shezen, und durch den freien Fluss ausländischer Direktinvestitionen dürften genug Kapitalbeschaffungsmöglichkeiten vorhanden sein, solange die Geschäftsaussichten in China gut bleiben. Mit der Übergabe Hongkongs bekommt China einen der größten und modernsten Finanzplätze der Welt zurück.

Insgesamt schätze ich somit die wirtschaftlichen Zukunftsaussichten Chinas als gut ein. Ein größeres Problem könnte jedoch die häufig als mangelhaft bezeichnete Infrastrukturausstattung Chinas sein. Besonders von den Energieversorgungsproblemen und den Verkehrsproblemen wird zunehmend weltweit in den Medien berichtet. Ob und in wie weit die Infrastrukturprobleme die wirtschaftliche Entwicklung Chinas in Zukunft behindern oder gar unmöglich machen werden, möchte ich in dieser Arbeit näher untersuchen.

Aktuelle Anmerkung im Jahr 2008: Seit dem Jahre 2007 hat China tatsächlich eine höhere Wirtschaftsleistung als Deutschland. Aktueller Artikel zum chinesischen Wirtschaftswachstum


Übersicht über die 7 Regierungsbezirke von Bayern.  Der Währung von Schweden ist die Krone.

 

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